Die meisten Motive erschliessen sich nicht auf den ersten Blick. Doch Hartnäckigkeit und Erfahrung führen meist auch in schwierigen Situationen zum Erfolg. Oft liegen die besten Motive hinter einem und werden nur durch den Blick über die Schulter offenbar.

Im Oktober 2015 verbrachte ich wenige Tage in Schladming, in denen ich mit meiner Kamera die wunderbaren Landschaften im Herzen Österreichs entdecken wollte. In einer Zeitschrift hatte ich eine Weile zuvor einige Bilder der Silberkarklamm oberhalb der nahe gelegenen Ramsau gesehen, die ich nun selbst erkunden wollte. Also fuhr ich die wenigen Minuten von Schladming zum Ausgangspunkt der Wanderung in die Klamm.

Von dort führt ein Pfad teils über Treppen und hölzerne Stege entlang des rauschenden Baches nach oben in die immer enger werdende Schlucht.

Meine ersten Versuche, die Eindrücke festzuhalten waren geprägt von nahezu abstrakten Nahaufnahmen, doch die wurden der landschaftlichen Schönheit der Klamm definitiv nicht gerecht.

Immer enger wurde die Schlucht, während sich die hölzernen Stege entlange der Felswände oberhalb des Baches hinauf schraubten. Mit jeder Kurve wurden die Blicke eingeschränkter, immer dominanter wurden die Treppen und Stege, durch die die Klamm erst zugänglich wurde. Zugleich verlor ich immer mehr das wahre Gesicht der Landschaft aus den Augen. Die Fotografien zeugen von meinen zunehmend dokumentarischen Versuchen, die Wanderung nachvollziehbar zu machen, jedoch verlieren sie dabei jegliche Emotion.

Die Fotografien zeugen von meinen zunehmend dokumentarischen Versuchen, die Wanderung nachvollziehbar zu machen, jedoch verlieren sie dabei jegliche Emotion

Schliesslich erreichte ich den Ausstieg aus der Klamm, wo sich plötzlich der Talboden weitete und ein Amphitheater am Fuss des mächtigen Dachsteins bildete. Der rauschende Bach verlor sich mit einem Mal in einem unübersichtlichen breiten, flachen Kiesbett und von der beengten Schlucht blieb nur mehr eine belanglose Waldlichtung. Ich musste mir mein Versagen eingestehen, weil es mir während des gesamten Aufstieges nicht gelungen war, den wahren Charakter dieser Landschaft festzuhalten.

Ich kehrte also um und trat den langen Rückweg an. Doch als ich den ersten Blick vom Kar zurück in die Schlucht warf, hatte ich plötzlich das einzig passende Motiv vor Augen. Die enger werdende Klamm eröffnete den Ausblick hinunter ins Tal. Wenige Schritte weiter, als die Felswände immer enger zusammenrückten, zeichnete sich im Hintergrund zart die Bergkette der Tauern in der Ferne ab. Eingerahmt von den schroffen Felswänden der Silberkarklamm und wunderbar akzentuiert durch die Vegetation, die sich mit aller Kraft an die Felsen klammerte. Mit einem Mal manifestierte sich die Essenz dieser Landschaft, die geprägt ist von versteckten Fernblicken aber auch den elementaren Spuren der Erosion in den Karstfelsen des Dachsteingebirges.

Die technische Ausführung der Fotografie war einfach. Ich achtete besonders darauf, dass der Blick auf die fernen Berge im Hintergrund nicht zu dominant wird, aber zugleich gut erkennbar bleibt. In der Nachbearbeitung gab ich den Schatten die offene Qualität, die diese Fotografie auszeichnet.