Ein Spaziergang durch den Wiener Prater birgt so manche Überraschung. So auch im Oktober 2015, als ich mein brandneues Zeiss 85mm Objektiv zum ersten Mal ausführte. Nach etwa einer halben Stunde in der ich eher ziellos umherstreifte kam ich zu der Brücke, auf der Tag für Tag der Verkehrslärm tobt, während die Südosttangente den Prater quert. Dies ist wahrlich nicht der schönste Platz im Prater, aber dahinter verbirgt sich mit dem Heustadlwasser ein wahres Kleinod.
Dies ist wahrlich nicht der schönste Platz im Prater, aber dahinter verbirgt sich mit dem Heustadlwasser ein wahres Kleinod
Die Brücke ist an sich nichts Besonderes, aber an einem der Pfeiler nahe am Ufer bemerkte ich einen Baum, durch dessen Blätter der bewölkte Himmel und auch das ruhige Heustadlwasser im Gegenlicht zu sehen waren. Ich konnte fühlen, dass sich hier ein gutes Fotomotiv verbarg, jedoch brauchte ich ein paar Minuten und einiges an Überlegung, wie ich die Szene festhalten sollte. Als ich näher kam, wurde mir klar, dass die Muster der Äste und Blätter als Abstraktion besonders gut zur Geltung kommen würden.
Der wichtigste Schritt zur fertigen Fotografie war die Erkenntnis, dass ich die Aufnahme perfekt als Schwarz/Weiss-Fotografie konzipieren konnte. Diese Fähigkeit – noch vor dem Anfertigen der Aufnahme das endgültige Bild vor dem geistigen Auge zu sehen – wurde von dem berühmten amerikanischen Fotografen Ansel Adams „Prävisualisierung“ genannt.
Und was in der Rohdatei nach nicht viel aussieht, wird nach der Konvertierung in ein Schwarz/Weiss Bild zu einer meiner liebsten Fotografien in meinem Portfolio. Hier zeigt sich das Konzept der Prävisualisierung in seiner ganzen Kraft.
Nach dem Entfernen der Farbe wird das chaotische Muster der Äste und Blätter sichtbar. Der Hintergrund verschwindet fast völlig.
Was bleibt ist die Abstraktion eines Baumes – im wahrsten Sinne des Wortes.